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Selen – Wirkung auf die Psyche?

Immer mehr Menschen klagen über Stress, psychische Probleme und deren Folgen. Leider weitestgehend unbekannt ist jedoch die Bedeutung von Selen für die Psyche, Stimmung und den Erhalt der mentalen Gesundheit. Hier erfährst du, wie Selenversorgung und Psyche zusammenhängen und was Schilddrüse und Immunsystem damit zu tun haben.

Unser Körper benötigt Selen täglich in ausreichenden Mengen um gut zu funktionieren. Dabei spielt das lebensnotwendige Spurenelement insbesondere zum Schutz der Zellen vor oxidativem Stress eine wichtige Rolle – auch für die mentale Gesundheit.

 Denn wenn die antioxidativen Schutzsysteme in Zellen (wie Nerven- und Gehirnzellen) auf schädigende oxidative Einflüsse (wie Radikale) nicht angemessen reagieren können, kann es zu Veränderungen, Fehlfunktion und zu deren Untergang kommen. So kann ein Selenmangel z. B. mit Gemütsstörungen bis hin zu depressiven Zuständen, sowie mit kognitiven und koordinativen Beeinträchtigungen einhergehen. Darüber hinaus können sich Funktionsstörungen der Schilddrüse und des Immunsystems mitunter deutlich auf unser psychisches Wohlbefinden auswirken. Dabei sind die Schilddrüsen- und die Immunfunktion ebenfalls auf ausreichend Selen angewiesen. 

Gerade weil in Deutschland und weiten Teilen Europas die Selenzufuhr grundsätzlich nicht optimal ist, könnte es für viele Menschen hilfreich sein, die Selenversorgung gezielt zu unterstützen.

Der Einfluss von Selen auf die psychisch-mentale Gesundheit

Es ist schon länger bekannt, dass ein Selenmangel die Gehirnfunktion und die Stimmung beeinträchtigen kann. Bereits Anfang der 90er Jahre zeigten Studien aus Großbritannien stimmungshebende Effekte einer höheren Selenzufuhr: Bei vergleichbar geringer Basis-Selenversorgung wie in Deutschland waren die Effekte einer zusätzlichen Einnahme von 100 µg Selen/Tag auf die Gemütslage deutlich [1,2]: Je niedriger die Selenzufuhr mit der Nahrung, desto mehr gingen die Berichte über Angstzustände, Depressionen sowie Müdigkeit mit der 5-wöchigen Seleneinnahme zurück. 

Eine verbesserte Selenzufuhr wird auch aktuell von immer mehr Auswertungen mit einer geringeren Häufigkeit von Depressionen in Verbindung gebracht [3-6]. Denn eine gute Versorgung mit dem Spurenelement hilft dem Körper oxidativen Stress und Entzündungen zu verringern, die Durchblutung (Endothelfunktion) zu verbessern und die Synthese und Funktion des Glückshormons Serotonin zu modifizieren [4]. Auch das Risiko für eine Wochenbettdepression scheint durch eine bessere Selenversorgung in der Schwangerschaft gesenkt werden zu können [7]. 

Zahlreiche weitere Studien bestätigen darüber hinaus einen positiven Einfluss von Selen auf die Psyche sowie auf den Erhalt von neuropsychologischen Funktionen* ins höhere Lebensalter [8-13]. Ein Selenmangel dagegen kann psychische Probleme, Depressionen und Ängste fördern. Bei älteren Personen wurden zudem Beeinträchtigungen der kognitiven Leistungsfähigkeit und der Koordination mit geringeren Selenspiegeln in Zusammenhang gebracht [14-16].

Wie die Schilddrüsenfunktion die Psyche beeinflusst

So klein und unscheinbar die Schilddrüse ist, so groß ist doch der Einfluss der dort produzierten Hormone auf unseren Körper. Sie beeinflussen z.B. Herz und Kreislauf, Verdauung und aktivieren auch den Stoffwechsel von Nervenzellen sowie die Gehirntätigkeit. Die Schilddrüsenfunktion nimmt damit auch erheblichen Einfluss auf unser psychisches Wohlbefinden. 

Schilddrüsenfehlfunktion erhöht Risiko für Depression 

Stimmungs- und Angststörungen kommen bei Patienten mit Unterfunktion und autoimmuner Schilddrüsenentzündung wie Hashimoto-Thyreoiditis häufiger vor [17]. Bereits bei einer unterschwelligen (subklinischen) Schilddrüsenfehlfunktion ist die Wahrscheinlichkeit höher, einmal an einer Depression zu erkranken. Dabei wird spekuliert, dass dies mit autoimmunen Vorgängen zusammenhängen könnte [18]. Auch Schizophrenie-Spektrum-Störung und Bipolare Störungen sind häufig von autoimmunen Schilddrüsenerkrankungen begleitet [19]. 

Insofern ist es ratsam, bei genannten psychischen Erkrankungen beim Arzt eine Untersuchung auf eine autoimmune Schilddrüsenerkrankung durchführen zu lassen und bei autoimmunen Erkrankungen die Aufmerksamkeit auch auf psychiatrische Symptome zu richten. Gegebenenfalls könnte dies den Behandlungserfolg unterstützen.

Selen ist an der Aktivierung und Deaktivierung von Schilddrüsenhormonen beteiligt – auch außerhalb der Schilddrüse, z. B. im zentralen Nervensystem. Daher ist es ratsam täglich auf ausreichend Selen in der Nahrung zu achten – insbesondere aber bei einer Funktionsstörung der Schilddrüse – und auch für Personen, die ganz ohne Schilddrüse leben müssen.

Psyche, Immunsystem und Autoimmunerkrankungen

Immunsystem und Nervensystem sind eng miteinander verbunden: Zellstress und entzündliche Prozesse sind belastend für die Psyche – und umgekehrt kann seelischer Stress zu einer Veränderung der Immunfunktion beitragen. Mit den Auswirkungen von Entzündungen auf unser Verhalten (und vice versa) beschäftigt sich die sogenannte Psychoneuroimmunologie.

Krankheitsverhalten („Sickness Behavior“) 

Das Konzept des Krankheitsverhaltens („Sickness Behavior“) beschreibt, wie wir im Krankheitsfall reagieren und uns zurückziehen, um die Regeneration zu fördern. Dabei sind gewisse Ähnlichkeiten zu depressiven Verhaltensmustern erkennbar, wie Lethargie und Antriebslosigkeit. Dies soll uns helfen, Energie einzusparen und dem Körper die nötigen Ressourcen für den Heilungsprozess zur Verfügung zu stellen. Durch Infektionen oder (fehlgeleitete) Reaktionen des Immunsystems kann es also zu Verhaltensänderungen sowie zu Veränderungen unserer Persönlichkeit kommen. 

Stress beeinflusst Entzündungsgeschehen 

Autoimmune Schilddrüsenerkrankungen, wie z.B. Hashimoto-Thyreoiditis oder Morbus Basedow, können bei oder nach größerem Stress zum Ausbruch kommen bzw. sich dadurch die Symptome verschlimmern. Einige Menschen mit Morbus Basedow leiden zudem an hervortretenden Augen – dem auffälligen Symptom der sogenannten endokrinen Orbitopathie. Diese wird oft als besonders belastend empfunden, da die Krankheit auch für andere sichtbar ist. Auch bei der endokrinen Orbitopathie gilt es Stress so gut es geht zu vermeiden.

Bei einem Selenmangel steigt das Risiko, dass Immun- und Entzündungsreaktionen aus dem Ruder laufen. 

Signifikant geringere Selenspiegel wurden z. B. bei Patienten mit autoimmun-bedingter Schilddrüsenunterfunktion / Hashimoto Thyreoiditis und bei Patienten mit Morbus Basedow (autoimmun-bedingter Überfunktion der Schilddrüse) berichtet [20,21], ein noch geringerer Selenstatus bei Morbus-Basedow-Patienten mit zusätzlicher Orbitopathie [22]. Die Reduktion der Selenspiegel steht dabei mit der Schwere der Erkrankung in Zusammenhang [22]. 

Inzwischen häufen sich zudem die Hinweise, dass eine gestörte Immunfunktion aufgrund eines Selenmangels direkt an der Entstehung einer Autoimmunerkrankung, z.B. der Schilddrüse, beteiligt sein könnte [23]. 


Selenversorgung bei autoimmunen Schilddrüsenerkrankungen optimieren! 

Mit Selen kann die Zerstörung des Schilddrüsengewebes sowie die fortschreitende Einbuße der Schilddrüsenfunktion vermindert bzw. verhindert werden – sowohl bei noch ausreichender Schilddrüsenfunktion [24-26], als auch bei bereits vorliegender Unterfunktion: Bei Hashimoto-Patienten zeigten unterstützende Selengaben (zusätzlich zum L-Thyroxin (LT4)) positive Effekte auf die Immunfunktion (► Verringerung von Entzündungsparametern bzw. der Hashimoto-typischen Antikörper) sowie eine Besserung der Stimmung und/oder des allgemeinen Wohlbefindens [27, 28]. 

Auch bei Morbus Basedow ist der Nutzen einer optimalen Selenversorgung auf die Schilddrüsenfunktion, Antikörperspiegel und Rezidiv-Häufigkeit durch Studiendaten belegt [29-32]. 

Da bei milder endokriner Orbitopathie eine Seleneinnahme die Augensymptome und die Lebensqualität verbessern kann und dem weiteren Fortschreiten zu schwereren Formen vorbeugt, wird auch für diese Patienten Selen empfohlen [33]. 


 ► Im Beitrag Das Immunsystem braucht Selen kannst du noch mehr darüber erfahren, wie chronische Entzündungen, Infektanfälligkeit und COVID-19-Heilungsraten mit der Selenversorgung zusammenhängen.

Fazit: 

Das lebensnotwendige Spurenelement Selen hat Einfluss auf Psyche, Stimmung und den Erhalt der psychisch-mentalen Gesundheit. Da es zudem wichtig ist für den Zellschutz sowie für eine gesunde Immun- und Schilddrüsenfunktion, sollte ein Mangel stets vermieden werden. Reicht dazu die Selenzufuhr über die Nahrung nicht aus, kann diese täglich gezielt mit bis zu 200 µg Selen (als Natriumselenit aus der Apotheke) unterstützt werden. 


 * Neuropsychologische Funktionen sind Gehirnfunktionen wie Denkvermögen (bzw. die Intelligenz), Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Sprachvermögen, motorische Fertigkeiten, Persönlichkeits-/Verhaltensmuster, emotionale und visuelle Wahrnehmung.

1. Benton & Cook. Selenium supplementation improves mood in a double-blind crossover trial. Psychopharmacology (Berl.) 1990;102:549–50. 
2. Benton & Cook. The impact of selenium supplementation on mood. Biol Psychiatry 1991;29:1092–8.
3. Czaderny. Risk factors for depression. New evidence on selenium deficiency and depressive disorders. Psychiatr Pol. 2020 Dec 31;54(6):1109-1121.
4. Ferreira de Almeida et al. Association of Selenium Intake and Development of Depression in Brazilian Farmers [published correction appears in Front Nutr. 2021 Aug 26;8:756637]. Front Nutr. 2021;8:671377.
5. Li et al. Association of total zinc, iron, copper and selenium intakes with depression in the US adults. J Affect Disord. 2018 Mar 1;228:68-74..
6. Banikazemi et al. Selenium intake is related to beck's depression score. Iran red Crescent Med. (2016) 18:21993.
7. Mokhber et al. Effect of supplementation with selenium on postpartum depression: a randomized double-blind placebo-controlled trial. J Matern Fetal Neonatal Med. 2011 Jan;24(1):104-8.
8. Scott BH. The Effect of Selenium Supplementation on the Mood of Chronic Fatigue Syndrome and Healthy Control Subjects (thesis). Christchurch, New Zealand: University of Canterbury; 1993.
9. Hawkes & Hornbostel. Effects of dietary selenium on mood in healthy men living in a metabolic research unit. Biol Psychiatry. 1996 Jan 15;39(2):121-8.
10. Finley & Penland. Adequacy or deprivation of dietary selenium in healthy men: Clinical and psychological findings. J. Trace Elem. Exp. Med. 1998;11(1):11–27.
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